Ernst-Naegelsbach-Haus betreut seit einem Jahr Gruppe jugendlicher Flüchtlinge

 

 

Integration macht Fortschritte

Sulzbach-Rosenberg. Sie kommen aus afrikanischen Ländern wie Eritrea oder aus arabischen wie Afghanistan oder Syrien. 12 minderjährige Flüchtlinge haben seit August vergangenen Jahres ein neues Zuhause im Ernst-Naegelsbach-Kinderheim gefunden. Nach 12 Monaten sind sie schon ein Stück weit in der Oberpfalz angekommen, sprechen die meisten schon ganz passabel deutsch. Wie der 17-jährige Mohammed aus Syrien. Er berichtet, wie er vor dem Bürgerkrieg nach Libyen floh, um von dort aus mit 350 Menschen in einem Boot über das Mittelmeer zu setzten. „Sehr gefährlich“, erinnert er sich an die 50 Stunden, die ihr Boot trieb, ehe sie von der italienischen Marine gerettet wurden. In Italien angekommen fuhr er schon bald mit dem Zug weiter nach München, wo er erst einmal versorgt und registriert wurde. Von dort wurde er dann nach Sulzbach-Rosenberg weitergeschickt. Im Ernst-Naegelsbach-Haus kam er schließlich mit einer Plastiktüte und durchgelaufenen Flip-Flops beim Kinderheim an. Hier war er willkommen, seine monatelange Flucht hatte endlich ein Ende. Sozialpädagoge Jürgen Fischer kennt die Fluchtgeschichten seiner Schützlinge: monatelang zu Fuß unterwegs, zwischendurch gearbeitet und ein bisschen Geld verdient, dann zwei Wochen eingepfercht auf einem Truck in sengender Hitze durch die Sahara, an einer Straßensperre des Geldes beraubt, eingesperrt, misshandelt und mit glühenden Zigaretten die Haut verbrannt. Todesangst. Und immer wieder die Zweifel: Werde ich jemals mein Ziel erreichen? Solche Erfahrungen hatten die minderjährigen Flüchtlinge hinter sich, als vor einem Jahr die Gruppe eröffnet wurde. Daher war es wichtig, erst einmal Sicherheit zu erleben und zur Ruhe kommen zu können. Mit Hand und Fuß mussten Fischer und seine Kollegen sich zu Beginn mit den Neuankömmlingen verständigen. Dank der sofort beginnenden Deutschkurse wurde die Verständigung bald besser. Die Jugendlichen sind laut Fischer sehr wissbegierig und wollen vorankommen. Dabei sind die schulischen Voraussetzungen recht unterschiedlich: Während viele in Ihrem Heimatland die Schule bis zur 8, Klasse absolviert haben gibt es andere, die noch nie eine Schule besucht haben. Doch nach einem Jahr in Deutschland sind die Fortschritte bereits sichtbar: Neben den Deutschkursen haben einige bereits das Berufsgrundschuljahr hinter sich gebracht. Ein Jugendlicher konnte bereits eine Schnupperwoche in der Realschule absolvieren. Ein Flüchtling beginnt ab September eine Ausbildung und weitere acht haben im Juli/August Praktika in verschiedenen Betrieben der IHK begonnen. Hausaufgabenbetreuung und Unterstützung durch das Wohngruppenteam machten es möglich. Neben der schulischen Integration hilft das Team auch bei der kulturellen. In der Gruppe erleben die Flüchtlinge Gemeinschaft in der Vielfalt, lernen Tugenden wie Verbindlichkeit und Pünktlichkeit. Eine große Tafel zeigt an, wer wann welchen Termin hat: Arztbesuche, Behördengänge, Koch- und Reinigungsdienste oder auch das Fußballtraining. Beim TUS Rosenberg kommen die Jugendlichen mit anderen in Kontakt und erleben Gemeinschaft. Oder sie machen in Mannschaften beim Landkreislauf und Laufgruppen mit. Nach einem Jahr ist vieles auf einem guten Weg. Allerdings sind manche noch von den Traumatisierungen der Flucht gezeichnet. Schlafstörungen, der Hang Lebensmittel zu horten oder ein immer wieder aufflackerndes Misstrauen prägen bis heute das Leben der Jugendlichen. Und wie ein Damoklesschwert schwebt täglich die Ungewissheit über ihnen, ob sie Asyl bekommen und dauerhaft bleiben dürfen oder Deutschland verlassen müssen. Dabei sind alle sehr ehrgeizig, haben große Ziele: Sie wollen beruflich Fuß fassen, Geld verdienen und einen Beitrag für das Überleben ihrer Familien in der Heimat leisten. „Ich will die Schule machen und dann Medizin studieren“, hat sich Mohammed aus Syrien vorgenommen.